„Alles, was die gesunde Natur tut, ist göttlich.“

(Friedrich von Schiller)

Die Natur ist ein großes Ganzes und richtet alles mit Sinn und Zweck ein. Jedes kleine Lebewesen erfüllt seine Aufgabe und ist Teil einer endlosen Kette von Zusammenhängen. Die Natur hält sich selbst im Gleichgewicht und passiert ein natürliches Unglück, findet sie dafür eine Lösung. Aber menschgemachte Probleme machen ihr zu Schaffen.

Enten füttern ist an vielen Gewässern Gang und Gebe. Dass diese gedankenlose Fütterung verheerende Folgen für die Tiere und das Ökosystem haben kann, wissen die meisten nicht. An den Bad Nauheimer Teichen mussten wir das leider erleben, als im Jahr 2003 über 50 Enten an einem Botulismusausbruch starben – einer Art Lebensmittelvergiftung, ausgelöst durch eine Überpopulation von Wasservögeln, die vom massenhaftem Zufüttern durch Besucher angelockt wurden. Nur ein Stopp der wilden Fütterung konnte langfristig und effektiv dazu führen, die Anzahl der an den Teichen lebenden Tiere zu reduzieren und damit den Gewässern Gelegenheit zur Regenaration geben. Das Fütterungsverbot in Bad Nauheim wurde im Mai 2004 eingeführt, während parallel eine kontrollierte Fütterung ausgewählter Tiere als Aufklärungsinstanz etabliert wurde. Der Erna-Ente-Treff war geboren. Durch diese naturverträgliche Alternative wurde das Fütterungsverbot in der Bevölkerung gut angenommen und im Laufe der Jahre konnten die Teiche sich erholen. Statt einem Stockentenmonopol entwickelte sich eine große Artenvielfalt in einer natürlichen Umgebung. Nichtsdestotrotz bleibt das Thema Fütterungsverbot aktuell – denn Probleme damit haben viele Städte.

Warum sollten Wasservögel nicht gefüttert werden?



Auswirkungen auf die Tiere

Unkontrolliertes Füttern lockt viele Tiere auf engem Raum zusammen. Wie bei uns Menschen steigt dadurch das Krankheitsrisiko und Keime können sich schneller verbreiten. Salmonellen und Parasiten breiten sich unter den Tieren aus. Die starken Tiere setzen sich durch, während die Schwachen immer weniger abbekommen und dadurch noch anfälliger werden.
Normalerweise verteilen sich Enten bei der Futtersuche über ein weites Gebiet und nehmen eine abwechslungsreiche Mischnahrung aus pflanzlichen und tierischen Bestandteilen auf. Wird ihnen das Futter jedoch schubweise angeboten und gar hingeschmissen, drängen sie sich zusammen, raufen miteinander und schlingen vor Futterneid viel mehr herunter, als gut für sie ist. Dazu kommt, dass das häufigste Futtermittel, nämlich Brot oder ähnliches Gebäck, auf Dauer sehr ungesund für Vögel ist, da Salze und Backtriebmittel die Verdauung belasten.
Unkontrollierte Fütterungen stören die Tiere nachhaltig in ihrem natürlichen Verhalten. Stockenten beispielsweise fliegen hauptsächlich in der Dämmerung zur Nahrungssuche aus. Da Besucher aber nicht erst abends, sondern tagsüber kommen, ändern die Tiere ihren angeborenen Rhythmus, nur um nach raschelnden Futtertüten spähen zu können.
Wenn so eine typische Parkente beim Tierarzt untersucht wird, zeigt sie oft ähnliche Zivilisationskrankheiten wie überernährte Menschen. Wildenten dagegen, die sich bei der Nahrungssuche viel bewegen und langsam fressen, sind muskulös und gesund.

Auswirkungen auf das Ökosystem

Das unkontrollierte Zufüttern führt dazu, dass sich mehr Tiere ansiedeln, als sich an einem Gewässer selbst ernähren können. Mehr Kot und Futterreste belasten das Gewässer und stellen eine ungewöhnlich hohe Zufuhr von Nährstoffen dar. Dadurch vermehren sich Pflanzen, allen voran Algen, die Nährstoffe schnell binden und verwerten können. Ein massenhaftes Vermehren von Algen führt nicht nur zu einer unschönen Grünfärbung des Wassers, sondern auch zu einer massenhaften Vermehrung von Bakterien, die Biomasse zersetzen – nichts anderes passiert, wenn die vielen Algen absterben. Dabei verbrauchen die Bakterien Sauerstoff und wenn mehr Sauerstoff verbraucht wird, als produziert wurde, entsteht im Wasser ein Defizit. Allgemein ist dieser Vorgang unter dem Begriff „Umkippen“ bekannt. Für Tiere, die auf Sauerstoff im Wasser angewiesen sind, beispielsweise Fische, Krebse, Kaulquappen und Libellenlarven, endet dieser Prozess schnell tödlich. Auch die Enten, denen Besucher durch das Füttern eigentlich etwas Gutes tun wollen, sind gefährdet, denn vor allem in den sauerstoffarmen Bereichen im Faulschalmm können sich anaerobe Bakterien ansiedeln. Diese wiederum können starke Nervengifte produzieren, die von Wasservögeln bei der Futtersuche aufgenommen werden. Beispielhaft dafür ist der Botulismus.

Was ist ein Botulismusausbruch?

Vereinfacht gesagt ist Botulismus eine Nahrungsmittelvergiftung. Bei Wasservögeln führt Botulismus immer wieder zu regelrechten Massensterben, wie auch 2003 an unseren Kurparkteichen.
Das verantwortliche Bakterium Clostridium botulinum vermehrt sich unter bestimmten Umständen im Faulschlamm von Uferbereichen und setzt ein starkes Nervengift frei. Kleintiere wie Würmer und Insekten reichern das Gift in sich an, ohne selbst Schaden zu nehmen. Fressen allerdings Wasservögel wie zum Beispiel Enten diese vergiftete Nahrung, bewirkt das Gift Lähmungen bis hin zum Tod.
Die Sporen des Bakteriums sind weit verbreitet und kommen an nahezu jedem Gewässer vor. In diesem Ruhezustand sind sie harmlos, unter Umständen jedoch entwickeln sich die Bakterien und vermehren sich. Vorraussetzungen dafür sind hohe Temperaturen, ein hoher Nährstoffgehalt im Wasser (beispielsweise durch Düngereintrag aus Landwirtschaft, Einführung von Abwässern oder wegen Überpopulationen von Wasservögeln) und Sauerstoffmangel. Nehmen Wasservögel das Gift bei der Nahrungssuche auf, verenden sie qualvoll an Lähmungen der Atem- und Herzmuskulatur. Die Kadaver bieten den Bakterien einen idealen Nährboden und verschlimmern den Verlauf des Ausbruchs weiter. Eine Bekämpfung des Bakteriums ist nahezu unmöglich, die Sporen können noch viele Jahre in der Umgebung überdauern. Lediglich durch die Beiseitigung toter Tiere lässt sich ein Botulismusausbruch eindämmen. Um das Risiko langfristig zu senken, muss die Ursache für den Nährstoffüberschuss und Sauerstoffmangel gefunden und beseitigt werden. Das wahllose Entenfüttern ist an vielen städtischen Gewässern Grund für Botulismusausbrüche, denn es ist der Anfang einer Kettenreaktion.